Was malst du denn da Schönes?
Dieses Mal geht es um ein Thema, dass mir immens wichtig ist, nämlich das Loben bzw. Bewerten von Kinderbildern. Leider beobachte ich es immer wieder und das nicht nur bei Eltern sondern auch bei Erziehern:
Ein Kind – knapp 2 Jahre malt ein Bild – Eigentlich eine schöne Sache, was sollte man da schon falsch machen?
Zum Ersten gibt es total viele Menschen, die sich während des Malens schon einmischen “willst du nicht eine andere Farbe nehmen?…. nein, nicht den Stift, guck mal, der passt doch viel schöner… Mal doch nicht nur an einer Stelle, hier ist dich noch ganz viel Platz… Bist du jetzt fertig?… Bist du jetzt fertig?… Bist du JETZT fertig?”
Im schlimmsten Fall, wird das Blatt einfach weggenommen.
Mir ist wichtig, dass ihr versteht, dass es gerade bei kleinen Kindern noch gar nicht um ein Ergebnis geht. Sie malen um der Aktion willen, nicht um ein” schönes” Ergebnis zu erhalten. Kinder dürfen und sollen sich beim malen als selbsttätig und selbstwirksam erleben. Sie entscheiden wo sie malen (also wo auf dem Blatt), wieviel und welche Farbe sie dafür verwenden und auch wann sie fertig sind. Wir Erwachsenen sollten ihnen nur zur Seite stehen um gegebenenfalls neues Material anzubieten (andere Farben, ein neues Blatt usw.), aber eben nur anzubieten. Wenn sie etwas nicht wollen, müssen wir lernen uns zurückzuhalten und das zu respektieren.
So wie bei fast allem – bei fast jedem kreativen Prozess – müssen wir lernen es auszuhalten. Entscheidend ist nicht unsere Vorstellung von einem schönen Bild, sondern dem Kind den Freiraum zu bieten seine eigenen Vorstellungen auszuleben und auszuprobieren.
So, nun wird das fertige Bild also betrachtet und nun kommt der Supergau:
“Das ist ja schön, was hast du denn da gemalt? Ist das ein Auto?”
In diesem Alter malen Kinder noch nicht um etwas darzustellen, doch mit diesen Fragen prägen wir sie unabsichtlich in eine bestimmte Richtung.
Nicht nur, dass in 99% der Fälle ganz gendertypisch gefragt wird – also bei ein Jungen “Ist das ein Auto?”, bei einem Mädchen “Ist das eine Blume?”. Nein, wir zeigen ihnen damit nicht etwa Wertschätzung für ihr tolles Bild, auf dem Sie ganz tolle Grunderfahrungen sammeln konnten, z. B. darüber wie sich Farben verändern, wenn Sie sich mischen oder wie das Papier weich wird und Löcher bekommt, wenn man mit zu viel Wasser immer an der selben Stelle malt usw. – wir vermitteln ihnen, dass ein Bild nur einen Wert hat, wenn es etwas darstellt und das ist überhaupt nicht die Intention der Kinder.
Jetzt wird der eine oder andere sagen “Aber mein Kind sagt auch beim Malen schon was es malt, während es Kringel aufs Papier bringt.”… Aber genau dass ist es eben. Das Kind ist schon so weit geprägt, dass es irgendwas benennt während es malt, weil es gelernt hat, dass wir das erwarten. Fragt man ein paar Tage später noch mal, sagt es meist etwas anderes, da es sich nicht mehr daran erinnern kann, was es in dem Moment gesagt haben.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht, wieso das schlimm ist…
Findet ihr, ihr selbst könnt gut malen? Wenn ihr ein Pferd malen sollt, sieht es aus wie ein Pferd, so wie ihr euch das vorstellt?
Die meisten Menschen verlieren genau in diesem Alter die Lust am Malen, oder malen recht bald nur noch das, wofür sie mal gelobt worden sind, wie am Fließband. Sie experimentieren nicht mehr, denn sie trauen sich nicht mehr kreativ zu sein.
Diese Fragen schränken die Kreativität ein und nehmen den Kindern die Lust am malen. Es frustriert schrecklich, wenn die anderen nicht erkennen was man gemalt hat oder wenn ein tolles buntes Bild anscheinend erst etwas Wert ist, wenn es etwas darstellt. Besser wäre es, so etwas zu sagen wie “Wow da hast du ja mit viel Kraft gemalt” oder “Ich sehe du hast ganz viel Blau benutzt, hat dir die Farbe gefallen?”,” Ich finde es toll, ich sehe, dass du dir ganz viel Mühe gegeben hast”.
Es ist wichtig Kinder zu ermutigen, etwas Neues zu probieren, zu experimentieren und immer neue, eigene Erfahrungen zu sammeln. Nur dann können sie ihre ganz eigene Kreativität entwickeln.